Rede der FWB zum Haushalt der Gemeinde Borchen 2021

Haushaltseinbringung Freie Wählergemeinschaft Borchen

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ – das haben wir noch bei der letzten Haushalts­verabschiedung festgestellt und dabei auf den bekannten Kinofilm angespielt. Wie in einer Zeitschleife kamen wir uns in den Haushaltssitzungen vor. Selbst in diesen noch guten wirtschaftlichen Jahren wurden wir dabei zuallererst vor einer in Kürze drohenden Haushaltssicherung gewarnt. Dann gehörte es zum fast schon liebgewordenen Ritual, in derselben Sitzung eine schwarze Null am Ende des Planungshorizontes vorauszusehen. In vier Jahren würde sie kommen, die schwarze Null, ganz bestimmt.

Transparenz, Miteinander und Realismus statt schwarzer Null

Nun stellen wir fest: Das Murmeltier ist aufgewacht und die schwarze Null hat es gleich mitgenommen. War zuletzt der Wendepunkt noch für 2023 vorausgesagt worden und sollte die Trendwende für bessere Jahre einläuten, ist diese im aktuellen Haushalt nun ganz verschwunden.

Allein das Verschwinden der schwarzen Null ist eine ganz bemerkenswerte Nachricht, scheint das Abtauchen der Zahl doch den Anfang eines neuen Politikstils mit mehr Transparenz, Miteinander und Realismus zu markieren. Umso mehr wollen wir uns an dieser Stelle schon beim Bürgermeister, dem Kämmerer und der ganzen Verwaltung für die neue Offenheit und auch die konstruktiven Gespräche bedanken. Wahrscheinlich werden wir auch in Zukunft nicht immer einer Meinung sein, doch der gegenseitige Austausch gibt uns die Möglichkeit, die jeweiligen Standpunkte besser zu verstehen. Demokratie lebt von verschiedenen Sichtweisen und der Fähigkeit, Ziele gemeinsam zu definieren und zu erreichen. Dies schafft Verständnis und stärkt die politische Diskussion.

Borchen hat ein strukturelles Defizit

Zurück zum Haushalt: Diese neue Offenheit und das vorzeitige Ende der schwarzen Null am Horizont zeigen nun, was schon zu erahnen war: Borchen hat ein strukturelles Defizit. Einfach gesagt: Wir geben mehr aus, als wir einnehmen. Diese neue Erkenntnis auf dem Papier macht zwar die Situation nicht besser, doch haben wir nun eine neue, gemeinsame Basis, auf der wir dem Ziel der schwarzen Null näherkommen können. Angesichts eines Minus von 2,7 Millionen Euro ist dies nur ein schwacher Trost. So ist es uns zwar möglich, knapp eine Million Euro auf die Corona-Krise zu schieben, doch lassen uns als FWB die verbleibenden 1,7 Millionen Euro nicht zuversichtlicher in die Zukunft schauen. Und insgesamt wird unser nächtlicher Schlaf nicht besser werden: Ab diesem Jahr hinterlassen wir unseren Kindern und Enkelkindern nicht nur eine Klimakatastrophe und ein Rentenproblem. Schön verteilt auf 50 Jahre dürfen sie auch noch unsere Corona-Kosten abbezahlen – und dies sind nur die Kosten der Gemeinde Borchen, über die Ausgaben des Bundes wollen wir besser gar nicht erst nachdenken.

Sanierungsstau wird aufgelöst, Grundschulklos endlich saniert

Nach dem ersten Schock unserer Fraktion über das Haushaltsdefizit ist es wieder die neue Transparenz und Offenheit der Verwaltung, die das Minus in ein anderes Licht rückt. Haben wir bereits mehrfach den Sanierungsstau der öffentlichen Gebäude in unserer Gemeinde kritisiert, finden wir jetzt genau für diese Gebäude Sanierungsmaßnahmen im aktuellen Haushalt wieder. So waren zuvor viele Anträge von uns nötig, damit nun endlich in die Schultoiletten der Grundschule Alfen investiert wird und der Protest der Eltern und der FWB sowie in Zusammenarbeit mit der FDP gewürdigt wird. Angesichts der vergleichsweise geringen Sanierungskosten und des Alters der Toiletten zwar ein viel zu spätes, jedoch ein richtiges Signal.

Heizungsaustausch ist kein aktiver Klimaschutz

Neben Investitionen in die Feuerwehren, die Vereine, Büchereien und das ehrenamtliche Engagement finden wir auch einen anderen Haushaltsposten erwähnenswert: 500.000 Euro werden in die Sporthallen und Sportheime investiert. Haben wir letztes Jahr noch wiederholt nach den Beschwerden über die Sporthalle der Grundschule Kirchborchen gefragt und nur gehört, es sei alles in Ordnung, ist nun auch hier eine Sanierung in Sicht. Diese Ausgaben erhöhen zwar nicht unmittelbar den Wert der Gebäude, doch werden dieser wieder fit gemacht und erhalten die nötige Instandhaltung. Ob man diese Ausgaben in uralte Heizsysteme und eine überfällige Deckenbeleuchtung nun wirklich als Klimaschutz­maßnahme bezeichnen sollte, darüber kann man wohl verschiedener Meinung sein. Für uns hat dies nichts mit aktivem Klimaschutz zu tun, sondern ist vielmehr eine deutlich verspätete Reparaturmaßnahme, bei der nun auch der Klimaschutz etwas Beachtung findet – nicht weil es um das Klima geht, sondern weil es Geld spart.

Klimaschutz scheitert bisher im Rat

Wichtig ist: Wir müssen gemeinsam unsere Bemühungen um die Klimawende weiter verstärken. Doch nach den Erfahrungen der letzten Ratsperiode bleibt uns da nur die Illusion der Hoffnung. Zu oft haben wir erlebt, dass es in diesem Rat schwer ist, klimaschützende Maßnahmen umzusetzen. Wir wollten Leuchtstoffröhren in den Schulen gegen LED-Beleuchtung austauschen und sind an den Stimmen von CDU, SPD und den Grünen gescheitert. Wir wollten ein ökologisches Baugebiet schaffen, einen Energieberater für die Schulen beauftragen, die Energieverbräuche für mehr Transparenz gesondert ausweisen, mehrfach Blumenwiesen umsetzen oder bei Anträgen deren Wirksamkeit auf den Klimaschutz beraten lassen. Mehrfach haben wir auch ein E-Auto gefordert, dass – so die einhellige Meinung dieses Rates – nicht geeignet sei. Doch auch hier wurden wir von der Verwaltung nun positiv überrascht – finden wir genau dieses Auto endlich im Haushalt wieder. Wir schauen mit Spannung auf den wahrscheinlich kommenden Klimarat – wir werden ihn mit ganzer Kraft unterstützen, doch bleibt es abzuwarten, ob dieser Rat der Gemeinde Borchen und auch die darin vertretenen Parteien dann endlich bereit sind, aktiven Klimaschutz zu betreiben. Sonst könnte es für die Klimarat tätigen Personen schnell in Frustration enden.

Konstruktiver Umgang mit der Windkraft

Apropos aktiver Klimaschutz: Die neue, bis jetzt noch gelassenere Haltung dieses Rates hätte auch bei einem der größten Experimente der Gemeinde Borchen in der Vergangenheit geholfen: dem Flächennutzungsplan für Windenergie. Zwar herrschte hier ungewohnte Einigkeit des Rates zwischen SPD, CDU und den Grünen, doch anstatt hier die Windenergie konstruktiv zu steuern, lag das Ziel der drei großen Parteien einzig auf der Einschränkung und der Verhinderung der Windenergie. Zu lange wurde an Abständen und Umfassungswirkungen festgehalten, die andernorts schon längst vor Gericht gescheitert waren. Wäre hier schon viel früher ein konstruktiv-steuernder Weg – anstatt einer Verhinderunsplanung – gesucht worden, hätten wir nicht nur viel Kraft sondern auch viel Geld sparen können. Aber lassen Sie uns voran in die Zukunft gehen – der gemeinsame Weg für die Windkraft scheint nun mit einem neuen Bürgermeister gefunden zu sein.

Verpasste Digitalisierung als gesellschaftlicher Fehler

Die Zukunft zieht nun auch in die Schulen ein: So finden wir im Haushalt weitere Posten, die zwar den Haushalt deutlich belasten, die jedoch bezogen auf die Digitalisierung der Schulen nicht nur nachvollziehbar, sondern auch dringend erforderlich sind. Mehr als 800.000 Euro sind hierzu vorgesehen und beseitigen die Fehler der Vergangenheit und einer ganzen Gesellschaft. Zu lange haben wir in Deutschland dieses Thema verschlafen und auch als Kommune unsere Chance verpasst, hier wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen. So konnte zwar Corona und der Digitalisierungsdruck nun wirklich nicht vorausgesehen werden, doch hätten wir hier schon vor Jahren unsere Hausaufgaben machen können. Das noch im letzten Jahr in einer der Grundschulen der Ausfall eines Overheadprojektors betrauert wurde und auch die Bestellung und die Installation eines Whiteboards zu einem scheinbar unlösbaren Projekt wurde, sollte uns hier nur weiter anspornen, in der Zukunft besser zu werden.

Stabile Elternbeiträge zur Schulbetreuung

Unter dem Motto „Miteinander gestalten“ ist der neue Borchener Bürgermeister in die Wahl gezogen. Dieses Motto hat zumindest bei einem unserer Anträge die Borchener Politik in eine gute Richtung gelenkt. Nachdem wir für das laufende Jahr beantragt hatten, die Betreuungsgebühren in den Schulen zu senken, mussten wir erfahren, dass die Verwaltung genau das Gegenteil beantragt. Ein von uns vorgeschlagener Kompromiss kennzeichnet nun die Lösung. Beide Anträge wurden zurückgezogen und führen so zu stabilen Beiträgen. Den Eltern ist damit in dieser Corona-Krise zumindest ein wenig geholfen. Dennoch müssen wir als Kommune eine langfristige Lösung finden: Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die Kinderbetreuung in Borchen zu den teuersten im Kreis Paderborn gehört und die Betreuung der Kinder auch vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist.

Lamellen statt Ferienbetreuung

Während wir bei den Beiträgen zur Elternbetreuung als Gemeinderat einen guten Kompromiss erzielen konnten, wird unser Antrag zur Ferienbetreuung wahrscheinlich keine Unterstützung gefunden haben. Trotz Gegenfinanzierung fand sich in diesem Rat keine Mehrheit, um die absehbare Betreuungskrise in den Sommerferien mit 4 Euro am Tag abzufedern. Unterstützen wollten wir damit kinderreiche und finanziell schlechter gestellte Eltern und Alleinerziehende im Rahmen des BorchenPasses. Maximal 28 Euro pro Kind wären dabei als Zuschuss geflossen. Doch obwohl die Zahl der Betreuungsplätze im Hot coronabedingt auf 17 Kinder pro Tag gesunken ist, viele Eltern bereits Urlaubstage zur Überbrückung der Corona-Zeit, für Betreuungsausfälle und Home-Schooling nehmen mussten, konnten wir unser Ziel nicht erreichen. Auch der Hinweis, dass die schulische Betreuung 19 Euro am Tag kostet und viele Eltern durch Kurzarbeit arg in finanzieller Bedrängnis sind, änderte nichts am Abstimmungsverhalten dieses Rates. Besonders bitter für die Kinder und deren Eltern: Zur Finanzierung sollte der Austausch der Lamellen im Rathaus um ein Jahr verschoben und der Zuschuss damit finanziert werden. Wo Licht ist, ist nun auch Schatten – könnte man nun über die Lamellen im Rathaussaal sagen. Angesichts der wenigen wirklich krassen Sonnentage und der zu erwartenden Absage fast aller Veranstaltungen im Rathaus können wir diese Entscheidung nur schwer begreifen.

Die Naherholung war uns auch in dieser Corona-Zeit ein wichtiges Thema, dem wir uns schon lange gewidmet haben. Notfallbeschilderungen, Wegweiser, Kartierungen, neue Aufenthaltspunkte sowie Bänke oder besser gesagt der Einstieg in eine ganzheitliche Planung waren vom Rat nicht gewollt. Wir werden uns weiter dafür einsetzen.

Fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei Entlastungsstraße

Auf unserer Agenda stand auch die erneute Diskussion der sogenannten Entlastungsstraße. 3,3 Millionen Euro sollen hier zukünftig verbaut werden, für eine Trasse, die mit viel Verkehrslärm von der S-Kurve in Nordborchen bis zur Kreuzricke ebenfalls in Nordborchen führen soll. Wie eine solche Straße Nordborchen entlasten soll, hätten wir gerne einmal diskutiert wie ebenso die Frage, ob eine solche Straße nicht bis nach Kirchborchen führen müsste, um überhaupt eine Funktion zu haben. Auch wenn wir damit noch nicht die Mehrheit überzeugen konnten: Wenn wir eine solche Straße wirklich zur Entlastung bauen wollen, dann sollte sie schon vor Nordborchen beginnen und in einem zukünftigen Bauabschnitt auch einmal Kirchborchen anschließen. Wir werden die weitere Entwicklung kritisch verfolgen. Dieser Antrag hätte der Transparenz und Nachvollziehbarkeit geholfen.

Unfallgefahr statt Zeichen der Integration

An ebenfalls abgelehnte Anträge zu Klimaschutzmaßnahmen und zu Bienenwiesen haben wir uns inzwischen gewöhnt. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass unsere Gemeinde die Vorbildfunktion auch bei diesem Thema glaubhaft übernimmt. Schlimmer war es für uns aber, die Ablehnung eines anderen Antrags zu erleben: Die fußläufige Anbindung des Industriegebietes und des Flüchtlingsheims an Kirchborchen. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wird in Borchen abgelehnt. Wir besitzen nicht die entsprechenden Grundstücke ist hier das Statement der Verwaltung bei gleichzeitig ablehnender Haltung des Rates. Uns ist das zu wenig. So lange wir Flüchtlinge in einem Industriegebiet unterbringen, gilt es auch eine Lösung für den Fußweg zu finden. Ob Hackschnitzel, Kies oder irgendeine andere Lösung: Hier geht es nicht um eine Luxuslösung, sondern darum ein Zeichen zu setzen für ein Aufeinanderzugehen und die entsprechende Willkommenskultur. Nicht selten sind vor allem in der dunklen Jahreszeit gefährliche Situationen im Straßenverkehr in Ermangelung eines Fußweges entstanden, bei denen nicht erst das Eintreten des Ernstfalles zu einer Lösung führen sollte.

Haushaltszustimmung als konstruktives Signal

2,7 Millionen Euro. Ohne Corona 1,7 Millionen Euro und eine Vielzahl an Anträgen, die von der Sanierung eines intakten Wirtschaftsweges über das überstürzte Neuaufstellen von Laternen nicht unbedingt unseren Werten als Wählergemeinschaft entsprechen. Was in normalen Jahren in Summe völlig begründet zu einer Ablehnung des Haushaltes geführt hätte, hat sich in diesem Jahr gewandelt. Wir begrüßen den neuen Stil im Rathaus und wollen ihm eine konstruktive Chance geben. Sehr geehrter Herr Gockel, sehr geehrte Verwaltung – sie haben diesen Haushalt noch nicht vollständig prägen können und große Lasten aus der Vergangenheit übernehmen müssen. Es fällt uns nicht leicht, dennoch wollen wir ein Zeichen für die Zusammenarbeit setzen. Mit viel Hoffnung haben wir sie im Wahlkampf unterstützt und erahnen, dass wir alle zusammen als politische Gemeinde Borchen weiter stärken können. Lassen Sie uns das Jahr zusammen nutzen, um Weichen zu stellen. Und vielleicht schaffen sie es um Kosten zu sparen, das ein oder andere Projekt zeitlich ein wenig zu strecken, damit wir doch noch zusätzliche Fördergelder erhalten können.

Wir bedanken uns zuallererst für Ihre Aufmerksamkeit, dann bei noch einmal bei der Verwaltung für die Unterstützung und selbstverständlich auch bei all den Menschen, die die Corona-Pandemie und die Corona-Regeln entsprechend ernst nehmen oder sich durch ehrenamtliches Engagement für die Mitmenschen einsetzen.

Carsten Koch und Astrid Lagers, Borchen im März 2021